17.04.-19.04.2011 Besteigung Island Peak (6.189m)
Die Besteigung des Island Peak (6.189m)
Im Rahmen der Trekkingtour zum Everest Base Camp mit Besteigung des Kala Pathar
Veranstalter Hubert Schwarz
17.04. - 19.04.2011
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Vorbemerkungen
Die Besteigung des Island Peak wollen wir zu Fünft angehen: Chuldim und Jambu, unsere beiden Sherpa-Guides, Rosi (50), Peter/Berlin (70) und ich (67).
Der Island Peak, gelegen in unmittelbarer Nachbarschaft von Nuptse, Lhotse und Lhotse Shar, ist kein Berg, den man so „im Vorbeigehen" besteigen kann. Er erfordert gute körperliche und mentale Kondition, Wintercampingerfahrung, Kälteresistenz, bergtechnische Grundkenntnisse und Mut zur Bewältigung von einigen ausgesetzten Stellen während der Besteigung, besonders im Gipfelbereich. Die Gipfeletappe dauert 13-14 Stunden und der Abstieg bei häufig auftretendem Schneefall erfordert bis zur letzten Stunde die volle Konzentration aller.
Die Schlüsselstellen sind zweifellos,
> das etwa 80° steile und 200m hohe Gletscherstück, das zu einem kleinen Plateau vor dem Gipfel führt
> Die etwa 100m kurze, aber sehr schmale und ausgesetzte Gipfelridge
Um auf die Anforderungen am Island Peak vorbereitet zu sein, haben wir 3 Deutschen uns vor Beginn der Besteigung entsprechend vorbereitet:
> Mental: es gibt viele Tourenberichte im Internet, teilweise Video-Material; wir haben so viel wie möglich davon studiert. Besonders die Verhältnisse an den oberen Teilstücken haben wir versucht, so gut wie möglich schon vorher kennen- und einschätzen zu lernen. Kartenmaterial hat dabei geholfen, die Entfernungen, die Höhen und den ungefähren Aufstiegsweg zu verinnerlichen
> Körperlich: Speziell für die Steilstücke haben wir ein 3-tägiges Training im Pitztal absolviert. Dabei haben wir insbesondere den Gebrauch des Jümers beim Hochklettern und die Verwendung des Abseilachters beim Abseilen geübt.
> Ausrüstung: Im Pitztal konnten wir auch unsere Ausrüstung testen, insbesondere unsere steigeisenfesten Bergstiefel mit Steigeisen, den Klettergurt mit allen Zusatzgeräten, Unter- und Oberbekleidung, Handschuhe, Brillen, Kopfbedeckungen.
Diese Vorbereitungen sind wichtig, da man am Island Peak alle diese Fertigkeiten braucht und es u.U. auch auf deren zügige Anwendung ankommt, da manchmal ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung steht, weil häufig schon am späteren Vormittag im Gipfelbereich stärkerer Wind einsetzt, später gefolgt von Schneefall
17.04.2011 Chhukhung (4.730m) --> Island Peak Base Camp (5.080m)
Gut akklimatisiert von unserem Trekk zum Everest Base Camp auf 5.364m und der Besteigung des Kala Pathar (5.550m) am Vortag gerade "heruntergekommen", machen wir uns morgens gegen 08:30h auf. Es ist eine schöne nicht allzu schwere Wanderung, quasi am Fuß des niedrigen Gipfels der Ama Dablam bis zum Base Camp des Island Peak. Gegen 11:00h sind wir bereits dort. Das Vorauskommando bestehend aus einem Koch, Sandra und 3 Trägern hat bereits alles vorbereitet: für jeden von uns 3 Deutschen ein geräumiges Einzelzelt, ein großes Zelt für Chuldim und Jambu, ein Küchenzelt für Sandra und ein Gemeinschaftszelt zum Essen.
Den Nachmittag verbringen wir mit kleineren Klettereien in der Umgebung und einer größeren amerikanischen Gruppe schauen wir zu beim Training mit Jümer und Abseilachter.
Früh wird es kalt und so verschwinden wir schon um 18:00h in unsere Zelte in die wohlige Wärme des Schlafsackes.
18.04.2011 Island Peak Base Camp (5.080m) --> High Camp (5.600m)
Die Sherpas haben es heute nicht eilig. Erst am späten Vormittag werden die Zelte - mit Ausnahme des großen Gemeinschaftszeltes - abgebrochen und nach dem Lunch geht es den Berg hinauf in Richtung High Camp. Zunächst ziehen wir ohne großen Höhengewinn ein flaches Hochtal hinauf, bis wir ziemlich unvermittelt nach einer Linkskurve direkt auf einen steilen Hang zuhalten, an dessen oberen Ende das High Camp liegt.
Auf schmalen, manchmal leicht ausgesetzten Pfaden ist jetzt harte Arbeit angesagt: in vielen, endlosen, kurzen, giftigen Zick-Zacks geht es beinahe senkrecht aufwärts. Um den Höhengewinn zu verkraften ist unser Tempo „pole-pole" sehr langsam, aber stetig. So erreichen wir nach ungefähr 2 Stunden das High Camp.
Hier haben unsere Sherpas schon für jeden von uns ein Zelt aufgebaut, außerdem ein Küchenzelt und ein weiteres Übernachtungszelt für unsere beiden Sherpa-Guides. Mir fällt auf, dass alle unsere Zelte unterhalb eines komplett, mit großen und kleinen Felsbrocken übersätem Hang stehen. Genau in dem Moment, in dem ich darüber nachdenke, lösen sich einige Steine in der wärmenden Nachmittagssonne und verursachen eine kleine Steinlawine, die laut herunterkommt. Gott sei Dank geht sie aber gut 50m an unseren Zelten vorbei. Gut, dass wir nur wenige Stunden im Zelt bleiben werden.
Weit vor Sonnenuntergang, im Schatten des kalten Hanges nehmen wir - jeder für sich - gegen 19:00h das Abendessen ein. Längst haben wir alle Kleidung und Ausrüstung in unseren Zelten fein säuberlich für den Aufbruch zum Gipfel bereitgelegt. Da wir schon in der warmen Unterwäsche, die wir heute Nacht auch am Berg tragen werden, angezogen haben, wird es morgen früh ganz schnell gehen.
19.04.2011 High Camp (5.600m) Gipfel (6.189m) --> Base Camp (5.080m)
Um 02:00h kommt Jambu und weckt uns, was eigentlich nicht nötig ist, da jeder von uns hellwach ist. In der Nacht hat es ein wenig geschneit, wie das leise rieseln des Schnees auf das Zelt verraten hat. Teilweise war es auch ziemlich stürmisch und daher laut. Der prüfende Blick nach draußen zeigt aber einen sternenklaren Himmel und fast Windstille.
Das Frühstück - wieder jeder in seinem Zelt - besteht aus einer Tasse Tee und einer kleinen Portion Porridge, einem Haferschleimbrei - nicht sehr viel für eine lange und anstrengende Tour; aber mehr bekommen wir jetzt - schon ein wenig nervös - einfach nicht hinunter.
Wie die spätere Aufzeichnung meiner Pulsuhr zeigt, brechen wir genau um 02:34 h bei einer Höhe von 5.600m auf. Es ist knapp unter 0°C und sofort verlangt der Berg unsere volle Aufmerksamkeit.
Für den ersten Teil unseres Aufstieges haben wir 2 Stunden angesetzt. Es geht ein langes Couloir in kleinen Zick-Zacks knackig ansteigend unablässig bergauf. Das Gelände besteht ausschließlich aus meist losen Steinen, Felsblöcken und Schieferplatten, die vom Schnee der vergangenen Nacht, der nicht fest angefroren ist, ziemlich glatt sind. Wir sind die 2. Gruppe in dieser Nacht am Berg und bald sehen wir unter uns 2 oder 3 weitere Teams, die sich unter uns auf den Weg gemacht haben. Schwer atmend und ganz langsam und vorsichtig geht es stetig aufwärts. Es wird kälter und unsere dünnen Innenhandschuhe reichen nicht aus, um unsere Finger warm zu halten. Mit den darübergestülpten Daunen-Fäustlingen lässt sich aber an den Stellen, wo wir unsere Finger zum Klettern und Abstützen zur Hilfe nehmen müssen, schlecht „arbeiten", so dass wir diese immer wieder ausziehen müssen.
Unterbrochen von 2 kurzen Trinkpausen, erreichen wir schließlich nach gut 2 1/2h, also etwa ½ Stunde länger als geplant, den sogenannten „Chrampons-Point" (Chrampon = Steigeisen). Die letzten 10m erfordern noch volle Aufmerksamkeit und Mut, denn hier oben, inzwischen auf gut 5.800m müssen wir über eine schmale, knapp 1m breite ausgesetzte Ridge.
Nun erfolgt die Vorbereitung für das zweite Drittel auf dem Weg nach oben. Nach dem Anlegen von Klettergurt und Steigeisen, gehen alle an die „main rope", denn nun geht es auf den Gletscher, der - wie jeder Gletscher - offene und verdeckte Gletscherspalten hat. Im Abstand von gut 5m haben wir folgende Reihenfolge gewählt: Chuldim - Rosi - Peter/Berlin - Paul - Jambu. Obwohl die Sonne noch nicht aufgegangen ist, brauchen wir unsere Stirnlampen jetzt nicht mehr. Schnee und Eis des Gletschers verursachen gute Sichtverhältnisse. Von der Vorstellung, dass nun eine flache Passage kommt, können wir uns sofort verabschieden, im Gegenteil, der Parcours erinnert mich an eine Achterbahn. Mit ständigen Aufs und Abs, durch enge Kurven und über schmale Eisbrücken, rechts und links mit atemberaubenden Blicken in tiefe Gletscherspalten, folgen wir der Spur der vor uns gehenden Seilschaft. Obwohl ständig außer Atem, kommt man ein wenig ins Träumen in diesem seltsam unwirklich erscheinenden Abschnitt unseres Aufstieges. Unwillkürlich vergleiche ich diese Gletscherpassage mit all ihren unterschiedlichen weichen Wendungen und Kurven mit einer klassischen Sinfonie, gespielt von einem großen Orchester.
Für den Gletscher brauchen wir erneut gut 2 Stunden; das letzte Stück wird flacher und endet an einem großen Felsbrocken, der aus dem Eis herausragt. Ab hier verlassen wir die „main rope" und gehen eine kleinen Anstieg hinauf zum Einstieg in das Steilstück.
Vor diesem Steilstück hatten wir ziemlichen „Bammel" und all unsere Trainingsarbeit vor dieser Tour war darauf gerichtet, uns hier am Fixseil hochzuhangeln. Jetzt, am Fuße dieser Eiswand, haben wir höchsten Respekt und jeder ist etwas nervös. Die Maße sind beeindruckend: 4-5 Seillängen --> 50m, also gut 200m hoch, mit 80° Neigung fast senkrecht. Das Gute, der Gletscher ist ziemlich rau und völlig uneben - das gibt besseren „grip" als reines blankes, blaues Eis - und 2 Fixseile - eins nach oben, das andere zum Abseilen. Als erster geht Jambu, gefolgt von Peter/Berlin, dann ich und unter mir Rosi, dicht gefolgt von Chuldim. Wie üblich steigt Jambu gleich so schnell aufwärts, dass er sich ziemlich von uns entfernt. Peter, den ich gut über mir beobachten kann, arbeitet sich Meter um Meter hoch. Das Fixseil, dem wir folgen, geht nicht einfach senkrecht nach oben, sondern manchmal rechts oder links schräg nach oben, oftmals sehr stramm gespannt über Eisausbuchtungen, vorbei am Rand von tiefen Eisspalten. Unter mir sehe ich immer wieder Rosi in der rot leuchtenden Daunenjacke, die offensichtlich ziemlich problemlos hochkommt, immer wieder gut unterstützt von Chuldim. Peter über mir hat zudem 2 oder 3 Mal Probleme mit seinen Steigeisen, die sich schräg zum Schuh stellen oder gar ganz lösen. Dann kommt Jambu etwas zögerlich nach „unten", um sie wieder neu zu fixieren.
Gefahren oder die Höhe merken wir kaum, da jeder mit sich selbst so stark beschäftigt ist, Zug um Zug nach oben zu klettern. Ein wenig problematisch ist jeweils der Wechsel von einem Fixseil zum nächsten, weil an diesen Stellen beide Seile sehr stramm sind. Aber automatisch - wie wir es trainiert haben - wechseln wir zuerst den „safty belt", also Karabiner mit Bandschlinge - auf das neue Seil, bevor wir dann mit dem Jümer in die neue Kletterei am nächsten Seil weitermachen.
Schließlich, nach wiederum gut 2 Stunden, erreichen wir alle 5 ein kleines Plateau oberhalb von 6.100m, von wo es direkt zum Gipfel geht.
Die nun noch fehlenden etwa 50 Höhenmeter haben es in sich und zwar vor allem mental. Diese letzte Gipfelridge ist völlig ausgesetzt, im mittleren und oberen Stück nur so breit, dass 2 Schuhe nebeneinander passen, aber Gott sei Dank mit einem neuen Fixseil gesichert.
Wir legen unsere Rucksäcke ab, und beinahe automatisch klicken wir uns in bewährter Reihenfolge ein. Vor uns, schon fast auf dem Gipfel angekommen, klettert ein Ukrainer, den wir schon beim Einstieg ins Steilstück weiter unten kurz gesprochen haben. Wir erkennen ihn jetzt nur als kleinen schwarzen Punkt mit „metallic-roten" Bergschuhen.
Mit voller Konzentration sind wir nun „dran"; hier ist jeder völlig auf sich gestellt. Vorsichtig und nur ja keinen Fehltritt riskierend, geht es teilweise auf allen Vieren - immer ganz nahe am Fixseil - Meter um Meter nach oben. Es kommt jetzt nur auf mentale Stärke an, sich auf die 1 oder 2 qm zu konzentrieren, die für jeden kleinen Schritt nach oben zur Verfügung stehen. Das Seil gibt Sicherheit und wir spüren auch eine gewisse Gruppendynamik, da jeder von uns die gleiche Herausforderung bewältigen muss und hier wird keiner „kneifen". Schließlich, nach etwa 100m, haben wir alle die Mini-Gipfel-Plattform erreicht, die wir auch noch mit dem Ukrainer teilen müssen.
Größere Gipfeltänze sind nicht möglich, da wir uns kaum bewegen können und immer am Fixseil hängen. Zum Abklatschen und inneren Freudenstürmen reicht es natürlich trotzdem. Chuldim macht eine Reihe von Gipfelfotos und muss sich dazu - ziemlich risikoreich - vom Seil lösen. Es sind durchaus spektakuläre Fotos, wie wir später sehen werden.
Wir bleiben fast 20 min oben und genießen die Nachbarschaft der 7. und 8.000er mit Nuptse, Lhotse und Lhotse Shar. Dann steht der nicht minder herausfordernde Abstieg an. Zu allem Überfluss und gegen alle Bergregeln machen sich, nachdem Jambu und Peter als erste auf den Weg nach unten sind, 2 Ukrainer auf den Weg nach oben. Mitten auf der Gipfel-ridge „begegnen" wir uns und in einer halsbrecherischen Aktion, übersteigen die beiden Ukrainer jeden von uns bei teilweise verhakten Seilsicherungen.
Nach kurzem Verschnaufen auf dem kleinen Plateau, nehmen wir unsere Rücksäcke wieder auf und ab geht es nun mit Abseilachter ans Steilstück nach unten. In umgekehrter Reihenfolge Chuldim - Rosi - ich - Peter/Berlin - Jambu geht's nun das Steilstück hinunter, eine neue „Sportart". Mit dem Gesicht zum Gletscher, aber immer wieder nach unten blickend, um die geeignete Route unter Umgehung der Gletscherspalten, die gut auszumachen sind, seilen wir uns Seillänge um Seillänge ab. Einmal schlägt Peter/Berlin dabei mit voller Wucht gegen das Eis und prellt sich die Außenhand. Alle erreichen wir aber zügig den „Boden" des Steilstückes.
Dann geht's wieder an die „main rope" also in Seilschaft den Gletscher hinunter zum „Crampons Point", wo wir Klettergurt und Steigeisen ablegen. Erst jetzt registrieren wir, dass wir seit gut 10 Stunden unterwegs sind und seit dem „Frühstück" nichts gegessen haben. Hastig nehmen wir ein paar Kekse und ein gekochtes Ei, um für den langen Abstieg über das Couloir gewappnet zu sein. Jetzt beginnt es stark an zu schneien. Sofort ist alles weiß und das lose Gestein gefährlich rutschig.
Unter der ruhigen und professionellen Führung unserer beiden Sherpa-Guides finden wir aber sicher den Weg nach unten. Während wir das High Camp passieren, kommt wieder die Sonne heraus und bis wir das Base Camp erreichen, ist der gefallene Schnee schon fast wieder weggetaut.
Nach knapp 14 Stunden sind wir wieder glücklich, aber müde „zu Hause" im Base Camp auf 5.080m zurück. Unser Koch Sandra hat das „Abendmenü", welches wir gegen 16:00h einnehmen, schon bestens vorbereitet und kurz danach geht's ab in die Schlafsäcke.
DAS SCHÖNE AN BERGEN IST DAS GEWALTIGE, DAS GELASSEN VERSCHMÄHT, UNS ZU VERNICHTEN (Zitat eines Unbekannten)
Würselen 27.04.2011
Paul Thelen