8.Februar - 21.Februar 2011 Besteigung des Kilimandscharo

Tourenbericht über die Besteigung von Mt.Meru und Kilimandscharo

vom 08.02.- 21.02.2011

(Veranstalter Hubert Schwarz)

 

08.02.2011

In aller Frühe starten wir von den Zubringerflughäfen München, Frankfurt, Düsseldorf, Hannover und Hamburg nach Amsterdam. Um 11:05h hebt dort unsere Boeing 777-300 zum 8 1/2-stündigen Flug nach JRO - Kilimandscharo Airport ab.

Wir sind insgesamt 9, 3 Frauen, 4 Männer, der Tourarzt Eberhard und ich als Tour guide. Alle haben sich in den letzten Monaten unterschiedlich mit Fahrradfahren, Laufen, Treppensteigen und der einen oder anderen Wandertour vorbereitet.

Nach ruhigem Flug werden wir gegen 21:30h Ortszeit - es ist mittlerweile schon dunkel geworden - am Flughafen von zwei freundlichen Mitarbeitern der Ngurdoto Lodge, unserem ersten Domizil für die Zeit, die wir nicht „am Berg" verbringen, abgeholt. Nach 40-minütiger Fahrt werden wir in der Lodge von Everest, der mit Stolz diesen „Bergnamen" trägt, herzlich begrüßt. Nach einem schmackhaften Spätimbiß und einem zünftigen Kilimandscharo-Bier begeben wir uns in die sehr hübschen Bungalows oder im Haupthaus der Lodge in die erste Nachtruhe in Afrika, sicher behütet von  Moskitonetzen über unseren Betten.

 09.02.2011

Geweckt durch das fröhliche Krähen einiger Hähne in unmittelbarer Nachbarschaft und sonstigem bereits munterem Federvieh sind wir schon früh bei Tagesanbruch auf den Beinen. Noch vor dem Frühstück sehen wir uns das grüne und blühende parkähnliche Gelände der Lodge etwas näher an und stellen fest, dass wir in einem tollen Stückchen afrikanischer Erde gelandet sind.

 

 

Nach einem gemütlichen Frühstück, vor dem die ab jetzt täglich zwei-malige Puls- und Sauerstoffmessung durch unseren Tourarzt Eberhard erfolgt, machen wir uns bei schon sehr warmen Temperaturen von 25°C auf eine kleine Erkundungstour rund um die Lodge.

Als Erstes besuchen wir die nahegelegene Schlangen- und Chamäleonfarm. Neben Schildkröten, Waranen und Alligatoren werden hier vor allem Schlangen gezüchtet. Hinter Glasscheiben sehen wir die unterschiedlichsten Giftschlangen wie Mambas, Kobras, Pythons, alle hier „zuhause", weil hier gezüchtet und entweder an Zoos zum Vorzeigen an die Besucher oder an die Pharmaindustrie zur Schlangengift-Produktion verkauft werden. Ein weiterer Geschäftszweig ist die Aufzucht von Chamäleons. Allerdings sind viele Aufzuchtkäfige z.Zt. leer. Von unserer Führerin erfahren wir, dass ein Chamäleon je nach Umgebung über 200 verschiedene Farben erzeugen kann.

 

So mit ersten biologischen Kenntnissen der afrikanischen Tierwelt ausgestattet, durchwandern wir eine Kaffeeplantage und erfahren dabei, dass die Kaffeesträucher erst nach 3 Jahren Früchte, also Bohnen tragen und dann nach 8 Jahren beschnitten und spätestens nach 15 Jahren gerodet werden, da sie dann für die weitere Produktion zu alt sind. Kaffeepflanzen brauchen

  • Ausgeglichene Temperaturen von ca. 13 - 30°C
  • Eine gewisse Höhe, etwa 1.000 - 1.500m
  • Gute, lehmige Erde
  • ständige künstlich Bewässerung
  • und schattige Lagen

Alle diese Voraussetzungen werden hier bestens erfüllt und deshalb ist Kaffeeanbau hier in der Region Arusha ein wichtiger Erwerbszweig.

Wir erfahren weiter etwas über den Bearbeitungsprozeß der Kaffeebohnen:

  • nach der Ernte werden sie gewaschen
  • dann die Fruchthaut im „Entpulper" entfernt
  • dann etwa 3 Tage getrocknet
  • dann geschält, um die Pergamenthaut zu entfernen
  • dann wieder gewaschen
  • dann getrocknet und hand- oder maschinenverlesen (versch. Qualitäten)
  • dann geröstet

 

Zur Abrundung unseres Afrika-Schnuppertages fahren wir noch nach Tengero zum Doluti-See, einem Vulkansee, rund und 700m tief - ähnlich den Maaren in der Südeifel - und genießen hier die Ruhe und frische Luft am Ufer dieses Sees, der sich im Privateigentum eines Tansaniers befindet, dessen Haus wie ein Schloss hoch am Ufer thront.

Den Tag beschließen wir mit einem Abendessen in der Ngurdoto Lodge und genießen noch ein Kilimandscharo Bier - das letzte für die kommenden 4 Tage und bereiten uns schon mal geistig auf die morgen beginnende erste Etappe am Meru vor.

10.02.2011

Heute geht es zum 1. Mal auf den Berg. Gegen 10:00 h kommen Yohana, unser afrikanischer Führer und ein Teil seiner Crew mit dem Bus und los geht es in Richtung Momella-Gate.

 

 

Am 1. Registrierungspunkt zum Eingang in den Meru-Nationalpark, sehen wir uns schon einmal an einem Modell unsere Aufstiegsroute an. Am Modell sieht sie ziemlich einfach aus, wie wird es in der Realität werden?

Nach weniger als 1 km Busfahrt nach der Registrierung öffnet sich rechts des Weges eine große Lichtung, auf der sich eine Reihe der hier lebenden Wildtiere zeigen: eine Giraffen-Familie, viele Zebras, eine große Büffelherde, eigne dazwischen laufende Warzenschweine und friedlich grasende Antilopen.

Dann geht's zum eigentlichen Gate. Hier erfolgt jetzt mit typisch afrikanischem „Palaver" die Verteilung unserer persönlichen Ausrüstung in den Seesäcken sowie der gemeinschaftlichen Verpflegung und Küchenausrüstung in transportierbare Gewichte: 15 kg Traglast + max. 10 kg persönliche Ausrüstung des Träger, insgesamt also 25 kg, die peinlich genau von Rangern mit einer altertümlichen Waage kontrolliert werden.

Schon bald lernen wir Frederik, den Ranger kennen, der uns die nächsten Tage am Mt.Meru begleiten wird. Er ist bewaffnet mit einer deutschen „Mauser-Flinte", die er nur dann mit „Luftschüssen" gebrauchen wird, wenn uns eines der wild lebenden Tiere zu nahe kommen sollte.

 

 

 

Gegen 13:00h brechen wir am Gate auf. Wir haben heute knapp 1000 Hm von 1.500m am Gate bis auf 2.521m an der Miriakamba-Hütte vor uns.

Es ist sehr warm, das Außenthermometer an meinem Gürtel zeigt bis zu 37°C. Hinzukommet eine gefühlte hohe Luftfeuchtigkeit. Dies macht den Einstieg am Berg nicht ganz einfach. Entschädigt werden wir aber schon nach kurzem Aufstieg beim  Zurückblicken in die hinter uns allmählich verschwindende Ebene. Dort können wir den Drehort des John Wayn Filmes „Hatari" erkennen, heute genutzt als eine hochwertig - teure Lodge für betuchte Touristen.

 

 

Uns hat sich inzwischen je eine deutsche und amerikanische 2er Gruppe angeschlossen, die den „Schutz" unseres Rangers Frederik suchen und kurz vor oder hinter uns gehend, die Gruppe ergänzen.

Im pole-pole Tempo gewinnen wir ständig an Höhe. Die Hitze und das ansteigende Gelände bringen uns ordentlich ins Schwitzen. Unsere erste Pause machen wir im Schatten eines bewaldeten Flusstales, nachdem wir den Fluss über darin liegenden Steinen überquert haben. Danach geht es weiter aufwärts in offener werdendem Gelände, welches lohnende Blicke zurück öffnet mit der allmählich unter uns verschwindenden Hochebene zwischen den Städten Moshi und Arusha. Immer wieder erklärt uns Frederik einige Besonderheiten am Wegesrand: die kleinen Höhlen, in denen Ameisenbären nach Termiten und Ameisen gesucht haben, eine Brennesselart, die wir nicht berühren sollten, kleine grüne Äpfel, die für Menschen giftig für z.B. Giraffen aber eine Delikatesse sind.

Nach ziemlich genau 4 Stunden Gehzeit erreichen wir die sauberen Miriakamba-Hütten auf 2.521m. Verteilt auf 3 „Zimmer" mit 4er-Stockbetten machen wir uns bereit für die erste Nacht am Mt.Meru. Nach dem Abendessen im Gemeinschaftsraum, wo sich viele ausländische Trekker u.a. aus Canada, USA, Frankreich und Polen versammelt haben, gehen wir bereits gegen 21:00 in unsere Stockbetten.

11.02.11

Nach der langen, einigermaßen ruhigen Nacht, stehen wir um 06:00h auf, um zu erleben, wie die Sonne ein Stück weit rechts vom Kilimandscharo / Mawensi aufgeht. Es ist etwas diesig und so dauert es bis gegen 07:00h bis sie sich rot/orange über den Morgendunst erhebt und die Konturen von Kilimandscharo und Mawensi deutlich am Horizont abzeichnet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurz nach 08:00h sind wir bei blauem Himmel und heute 15°C abmarschbereit. Die Route führt über lang aufsteigende und gut befestigte Treppenstufen durch den Regenwald. Es herrscht eine typische „Harry-Potter-Atmosphäre". Von den gewaltigen, weit ausladenden Bäumen des Regenwaldes wehen „Irish Moos" und Farne herab,

 

 

die mit den Bäumen in Symbiose leben. Immer wieder haben wir - je höher wir kommen - phantastische Ausblicke zwischen den Bäumen hindurch auf die vulkanische Ebene unter uns. Leider liegt der mächtige Kibo-Gipfel des Kilimandscharos in Dunst und Wolken, so dass wir seine Lage nur erahnen können.

Für die heute wiederum ca. 1.000Hm von 2.521m auf 3.566m nehmen wir uns 4,5 h Zeit. Nach einem kleinen Lunch in der nicht ganz so feinen Saddle-Hütte und einer kurzen Mittagsrast sind wir um 15:00h bereit zu einer besonderen Akklimatisierungstour: bis auf einen von uns möchten alle aus unser 9er-Gruppe den Gipfel des little Mt.Meru auf 3.800m besteigen. Im langsamen pole-pole Tempo auf vielen staubigen Zick-Zacks schlängeln wir uns 300Hm nach oben und erreichen nach 1 Std und 15 min alle den Gipfel unseres 1.Berges. Hier auf 3.800m, für 4 von uns ein persönlicher Höhenrekord, genießen wir die tolle Rundumsicht.

 

 

Einerseits sehen wir „hinter" dem little Mt.Meru nach Norden die weite afrikanische Hochebene, vulkanischen Ursprungs mit kleinen, uralten teils wassergefüllten Kratern. „Vor" dem little Mt.Meru, nach Süden und Westen  - für uns von besonderem Interesse - sehen wir große Teile unserer morgigen Aufstiegsroute zum „großen" Mt.Meru. Diese prägen wir uns schon einmal ein, damit wir in der folgenden Nacht einigermaßen nachvollziehen können, wo wir uns gerade befinden.

Nach dem Abstieg und dem schon gegen 18:00h folgenden Abendessen, liegen alle um 19:00h in den Schlafsäcken. Heute haben wir das Akklimatisierungs-Motto befolgt: „go high, sleep low" und es folgt nun eine sehr kurze „Nacht".

 

 

 

12.02.11

Wie häufig bei Gipfeltagen üblich, beginnt der „Tag" schon in der vorhergehenden Nacht. Um 23:00h werden wir geweckt, wobei die meisten von uns gar nicht oder nur sehr wenig geschlafen haben. Offensichtlich haben wir schon eine Menge Adrenalin im Blut im Hinblick auf den vor uns liegenden Tag.

Zwei von uns, Heinz und ich, müssen uns leider bei unserem Tour Doc Eberhard krank melden: wir haben deutliche Anzeichen einer Höhenkrankheit mit Magenbeschwerden und Kopfschmerzen, was dazu führt und auch weiterhin anhält, dass wir seit Stunden nichts essen und trinken können. Letzteres ist wegen der Höhe aber unbedingt notwendig. Wir beide werden statt auf- am frühen Morgen ganz hinunter absteigen, um uns in der tieferen Lage der Meru View Lodge zu erholen und neu für die Kilimandscharo-Besteigung vorzubereiten.

Die Erlebnisse der Gipfelnacht am Mt.Meru gebe ich nun nach den Schilderungen von Eberhard und den anderen Gruppenmitgliedern  wieder.

Etwas fröstelnd, nach einem „mageren" Frühstück, bestehend aus Porridge, Biskuits und Tee oder Kaffee sind die verbliebenen 7 zusammen mit Frederik, dem Ranger, Yohana dem guide und 4 weiteren assistant guides und einem Träger für den Arztkoffer gegen 00:10 bei mondklarer Nacht, funkelnden Sternen, fast Windstille und relativ warme 8°C Außentemperatur abmarschbereit. Nahezu wortlos begeben wir uns auf das erste flache Stück auf den Anstieg zum Rhinopoint. Dieser hat seinen Namen daher, weil vor langer Zeit ein Jäger auf diesem 3.800m hohen Berg ein Rhinozeros erlegt haben soll. Der „Rhino" erfordert bereits erhebliche Kräfte. Vor allem das letzte steile Stück geht durch Feinstaub in endlosen Zick-Zacks. Nach gut 2 Stunden erreichen wir diese erste Wegmarke auf unserer Route zum Gipfel und wir machen eine erste richtige Pause.

Nach dieser Rast auf 3.800m folgen wir nun weiter auf dem einzigen Weg zum Gipfel und es wartet auf uns die nächste größere Herausforderung: das Passieren zweier schräg abfallender Felshänge. Unsere Führer zeigen uns die beste Route und helfen uns auch in dem einen oder anderen kritischen Bereich.

Berücksichtigend, dass bis hierher „erst" etwa 1/3 der Gesamtstrecke erreicht ist und jetzt noch ein sehr langer, beschwerlicher Weg zu bewältigen ist, beschließt einer aus unserer Gruppe, hier umzukehren und zur Saddlehütte abzusteigen. Begleitet von einem assistant guide tritt er den Rückweg an und berichtet später, dass sein Führer mangels Stirnlampe einige Male von der kürzesten Route abkam und dann Umwege erforderlich wurden. Beide erreichen am Morgen gegen 06:00h wohlbehalten die Saddlehütte. 

Nachdem wir anderen das untere Ende des zweiten schräg abfallenden Hanges erreicht haben, geht es etwas besser voran: Wir folgen, wie wir später bei Tageslicht sehen werden, dem äußeren Kraterrand des Mt.Meru - jetzt erst einmal auf einem breiten Pfad. Allerdings ist hier der Untergrund sehr lose, so dass wir Kraft aufwenden müssen, um nach dem Motte „1 Schritt vorwärts und ½ Schritt wieder zurück" nur langsam vorwärts kommen. Danach schließen sich wieder Felspassagen an, deren Überwindung häufiger statt des Stockeinsatzes den Gebrauch von einer oder beider Hände bedarf.

Wir sind jetzt schon fast 4 Stunden unterwegs und das Gelände erfordert die ganze Kraft aller Teilnehmer. Bald näheren wir uns der 4.000m-Marke, eine Höhe, in der die meisten von uns noch nie waren. Die Pausenabstände werden kürzer, es wird empfindlich kalt - wir haben jetzt 0°C - und wir sind froh, nun unsere wärmste Kleidung dabei zu haben.

Oberhalb der 4.000m Marke, gehen wir jetzt allmählich an die körperlichen Grenzen heran. Bei 4.100m - immer im Wechsel zwischen einigermaßen gut begehbarem Pfad und Felspassagen - misst unser Doc die Sauerstoff- und Pulswerte aller. Die Sauerstoffsättigung ist höhenbedingt gefallen und die Pulswerte gestiegen. Da die Werte aber medizinisch nicht bedenklich sind, besteht kein Grund, nicht weiter anzusteigen. Im Osten sehen wir bereits eine erste Rötung am Horizont als sicheres Zeichen für den anbrechenden Tag.

Wir sind jetzt noch 10, „unsere" drei Frauen Eva, Inga, Rosi, dann Ekke und Wolfram, Eberhard der Tourdoc, Frederik der Ranger, Yohana der guide, Peter der Arztkofferträger und ein assistant guide. Die letzten mehr als 400Hm haben es in sich: Immer wieder signalisieren die Felstürme am Kraterrand, dass jetzt der Gipfel kommen muss - aber ein wenig frustriert müssen wir erkennen, dass es noch eine Biegung und noch eine Felsformation zu passieren gilt, bevor endlich etwa 50m vor und über uns die eiserne Gipfelfahne auftaucht. Jetzt ist es noch eine halbe Stunde, in der die letzten Kräfte mobilisiert werden müssen. Auf der kleinen Gipfelkanzel des „Socialist Peak Mt.Meru 4.566m", wie eine gelb-grüne Inschrift verkündet, ertönen die Freudenschreie - oder sind es etwa „Schmerzensschreie"?- jedenfalls sind Erleichterung und Freude über den Gipfelerfolg groß und alle genießen diesen emotionellen Augenblick.

 

 

 

Es ist jetzt 07:30h und die Sonne steht nun hell über dem Kilimandscharo. Sie beleuchtet majestätisch den weiß glänzenden Kibo-Gipfel mit seinen Hängegletschern, lässt rechts daneben auch den zerklüfteten Mawensi erahnen und ermöglicht auch das Erkennen aller Details des schräg stehenden Meru-Kraters einige Hundert Meter direkt unter uns. Dieser Krater, den wir „Ofenrohr" nennen, hat eine einmalige Lage und Form. Er erhebt sich im großen Kessel des Merukrater als separater kleiner Krater, von uns aus gesehen glatt abgeschrägt nach links.

 

 

 

Auf der dem Kilimandscharo abgewandten Seite können wir weit in die Hochebene hineinblicken, die hier und da von kleineren  Kratern und Seen durchzogen ist.

Nach dem Schießen der Gipfelfotos, nachdem wir das unter uns liegende afrikanische Land ausreichend in uns aufgenommen haben und nachdem wir uns ein wenig regeneriert haben, beginnen wir den langen und beschwerlichen Abstieg. Wir folgen genau der gleichen Route zurück, die wir auch gekommen sind. Obwohl es nun überwiegend bergab geht und die Schwerkraft uns automatisch nach unten bringt, ist es erforderlich, sich in den Felspassagen auf jeden Schritt und Tritt zu konzentrieren. Je weiter wir nach unten kommen, umso heißer und staubiger wird es und wir halten untereinander größere Abstände, um etwas weniger Staub des Vordermannes abzubekommen. Die Sonne steigt nun immer höher und das Thermometer zeigt über 25°C. Schließlich erreichen wir gegen 11:30h ausgepowert aber dennoch glücklich die Saddlehütte auf 3.566m.

Jetzt heißt es nur noch schlafen, schlafen, schlafen. Nur unterbewusst registrieren wir, dass sich ein ordentliches Gewitter mit großer Regenmenge über der Saddlehütte entlädt.

 

13.02.2011

Nach dem langen, erholsamen Schlaf sitzen wir bereits um 07:00h beim Frühstück. Die Stimmung ist gut, da alle 7 aus unserer Gruppe am Vortag eine bemerkenswerte Leistung vollbracht haben - 6 haben einen neuen persönlichen Höhenrekord aufgestellt - wichtiger ist aber vielleicht noch, dass alle an ihre persönlichen Grenzen herangegangen sind bzw. sie haben sie überschritten und das ist eine wertvolle Erfahrung eines jeden einzelnen. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von der Crew, die schon vor uns den Mt.Meru verlassen wird. Danach beginnen wir im eher gemütlichen Tempo aber die Strapazen des Vortages spürend den Abstieg. Nach einem Zwischenstopp 1.000m tiefer in der Miriakamba Hütte entschließen wir uns, den Rest des Weges nach unten mit einem Ranger-Jeep zu bewältigen. Der Fahrer will offenbar sein ganzes „off-road-Können" zeigen und so haben wir große Mühe, uns auf der offenen Ladefläche des Jeeps festzuhalten. Einen kurzen Foto-Stopp legen wir an einem großen, die Fahrbahn überwachsenden und in der Mitte ausgehöhlten Urwaldbaum ein, bevor wir ihn mit dem Jeep „durchfahren" können. Mit dem ein oder anderen blauen Fleck erreichen wir schließlich gegen Mittag das Momella gate, wo wir ordnungsgemäß auschecken und uns dann von Frederik, der uns als Ranger beschützt hat und von Yohana, den wir 2 Tage später zur Besteigung des Kilimandscharo wiedersehen werden, verabschieden.

Die anschließende „Vollwäsche" in der schönen Meru View Lodge erfordert die volle Leistung der Warmwasserversorgung, haben wir doch 4 Tage nur immer „Katzenwäsche" betrieben.

Den Abend lassen wir ausklingen mit einer Geburtstagsfeier für Inga, - die wie alle anderen Gipfelstürmer - diesen Tag so schnell nicht vergessen wird.

14.02.2011

Um 09:30h begeben wir uns mit dem Bus auf den Weg zur Schule der Renate & Hubert Schwarz Stiftung im Slam von Arusha. Meleck, der Leiter begrüßt uns hier und erläutert die Entwicklung und den heutigen Stand des Projektes:

  • gegründet 1999 aus der Zusammenarbeit Meleck und Hubert Schwarz
  • Schule 1 (die wir gerade besuchen) mit ca. 100 Kindern
  • Schule 2 (seit 2006, im Massai-Gebiet gelegen) mit ca. 180 Kindern

Die Philosophie des Projektes ist es nicht nur Bildung zu vermitteln sondern auch die Lebensauffassung, dass gute Bildung die beste Basis für ein selbständiges und erfülltes Leben ist.

Wir dürfen an einem kurzen Unterricht der 3-6-jährigen Kinder in englischer Sprache teilnehmen und können uns davon überzeugen, dass die noch jungen Kinder schon Grundelemente der englischen Sprache beherrschen.

 Wir erfahren, dass Kinder, die diese Vorschule verlassen, bereits erfolgreich primary und secondary Schulen absolviert haben und die ersten schon ein Collage besuchen. Der Schulbetrieb und Unterhalt der Kinder (Kosten für Lehrer, Schulmaterial, Verköstigung der „Nachmittagskinder", Uniformen, usw.) werden von der R.&H.Schwarz-Stiftung bzw. deren Spendern finanziert. Gerade wird geprüft, ob eine neue Schule gebaut wird, da die bisherige Schule 1 auf gepachtetem Gelände steht, welches jederzeit gekündigt werden könnte.

Sehr beeindruckt von den Kindern, von Meleck, von der Schule und dem Projekt als Ganzem fahren wir weiter zum „Tanzanian Heritage Center". Hier können wir eine Riesenauswahl an einheimischer Kunst, Schnitzereien und Handwerksarbeiten aller Art bewundern und für die Lieben zuhause oder als Souvenir für uns selbst einkaufen.

Einen besonderen Eindruck hinterlässt auch ein integrierter Neubau des Heritige Centers, der in sehr einzigartiger Architektonik von der afrikanischen Bau- und Gestaltungskunst Zeugnis gibt. Besonders sprechen uns große Tierfotos im Untergeschoß an, die die Wirklichkeit im afrikanischen Busch wiedergeben.

Am Abend genießen wir als Schlummertrunk noch ein kühles Kilimandscharo-Bier, wohl wissend, dass ab morgen unser eigentliches Ziel, die Besteigung des Kilimandscharo beginnen wird.

 

15.02.2011

Um 08:45h brechen wir mit dem Bus in Richtung Moshi auf. Dort, am Büro von Zara, unserer Bergagentur wechseln wir den Bus und fahren zusammen mit einigen Mitgliedern unserer Crew zum Mandara Gate. Auf dem Weg dorthin stoppen wir noch an einer Feuerwehrstation, um einen batch der Karlsruher Feuerwehr gegen einen der Feuerwehr Moshi zu tauschen. Die gestrengen officers verweisen uns aber an den 2 Stunden später kommenden Feuerwehrchef, auf den wir aber leider nicht warten können.

Weiter geht es den Berg hinauf zum 1.970m hoch gelegenen Eingangsgate zum Kilimandscharo. Hier müssen sich alle registrieren, egal, ob sie nur einen Tagesausflug machen, den Berg auf einer großen Runde umwandern wollen oder wie wir auf den Gipfel wollen.

Gegen 12:45h haben wir unsere Formalitäten am Eingangsgate erledigt und  es geht langsam auf die 1.Etappe. Es ist etwas schwül, 24 °C warm und ziemlich wolkig.

Der Weg führt ausschließlich durch den Regenwald, und meist schweigend ziehen wir nach oben. Die Entfernung zur Mandara-Hütte  beträgt etwa 7,9 km und wir benötigen dafür 4 Stunden und 15 Minuten inklusive einer längeren Pause „halfway" auf einem sehr sauberen Rastplatz und einer kurzen Trinkpause ½ Stunde vor der Mandara Hütte. Unterwegs haben wir Gelegenheit, den einen oder anderen Wasserfall und auch einige blühende Pflanzen am Boden des Regenwaldes zu fotografieren. Nahe am Weg beobachten wir eine Gruppe Weißkragenaffen, die unbeeindruckt von uns über uns herumturnen.

Nach Erreichen der Mandarahütte auf 2.720m beziehen 8 von uns 2 Schlafräume im „weißen Haus", einem festen Steinbau am Rande des Camps; ich habe das Vergnügen, ein Bett im großen Schlafsaal der Kantinenhütte mit 20 Schweizern zu teilen.

Heute sind alle Hütten bis auf den letzten Platz belegt, was wir auch beim Abendessen in der bis auf den letzten Platz besetzten Kantinenhütte feststellen.

Meine Nachtruhe ist eher spärlich, da alle in meinem Schlafsaal immer dann wieder wach werden, wenn einer die Toilette aufsuchen muss und dabei im Schein der hellen Stirnlampe die steile Steige hinuntersteigen muss.

 

16.02.2011

Nach dem Frühstück starten wir pünktlich um kurz vor 08.00h bei 12°C auf unsere 2.Etappe. Schon kurz nach Verlassen der Hütten treten wir unvermittelt hinter einer Bachbrücke aus dem Regenwald heraus und vor uns liegt die nächste Vegetationszone - das Hochmoor - mit einem immer niedriger werden Baumbestand.

Leider ist es wolkig und die bei klarem Wetter von hier gut zu sehenden „Doppelgipfel", der weiß leuchtende Kibo-Gipfel und der zerklüftete Mawensi, bleiben uns erst einmal verborgen. Doch eine halbe Stunde später tauchen beide zwischen Wolkenfetzen auf - und wir sind überrascht von den großen Schneemengen, die beide in eine nahezu komplett weiße Außenhaut hüllen. Bei inzwischen angenehmer Trekking-Temperatur von 18°C ziehen wir unseren gut befestigten Weg stetig ansteigend zu den Horombo-Hütten hoch. Es kommen uns bald viele Gruppen von oben entgegen, die am Vortag den Kilimandscharo bestiegen haben. Einige berichten von Neuschneemengen zwischen 25 und 40 cm, die den Aufstieg stark erschwert und bei einigen unmöglich gemacht haben.  

Nach einigen Pausen - in der Regel so jeweils nach 1 - 1,5 Stunden Gehzeit, erreichen wir nach 4 Stunden einen großen Rastplatz mit Tischen, Bänken und einem Toilettenhäuschen. Leider hat Heinz hier deutliche Anzeichen einer Höhenkrankheit mit Kopfschmerzen, Übelkeit und allgemeiner Schwäche.

Nach einer längeren Pause fallen uns die restlichen 2,5 Stunden Gehzeit bis zu den Horombo-Hütten nicht allzu schwer. Heinz folgt mit unserem Tourdoc und erreicht dann auch ½ Stunde nach den anderen die Horombo-Hütten dank einer enormen Willensleistung.

Kurz vor den Horombo-Hütten sehen wir zum ersten Mal die inzwischen hier am Kili seltenen Senezien, palmartige Bäume, die aber zur Gattung der Kräuterpflanzen gehören.

 

Gegen 15:00h, nach insgesamt 7h Gehzeit incl. Pausen, in denen wir wieder 1.000Hm und ca. 13 km zurückgelegt haben, sind wir endgültig am Tagesziel. Hier bekommen wir 2 Hütten - eine 6er und eine 4er Hütte - zugeteilt. Erschöpft von der „Tagesarbeit" gehen wir nach dem Abendessen in der ziemlich überfüllten Kantinenhütte und dem üblichen abendlichen Sauerstoff- und Pulsmessen sowie dem Briefing für den Folgetag gegen 20:00h in eine lange Nachtruhe.

 

17.02.2011

Der Morgen begrüßt uns mit strahlend blauem Himmel und einem komplett in Weiß gehüllten Kibo, der Gipfelregion des Kilimandscharo. So muss der Kili vor 100 Jahren ausgesehen haben, als er noch ganz von Gletschern zugedeckt war. Heute sind es etwa 30% der Gipfelregion, die von Gletschern bedeckt sind; der Rest ist jetzt eine Schneedecke der letzten Tage.

Heute legen wir einen Akklimatisationstag ein. Um 08:45h verlassen wir bei 10°C das Camp in Richtung Mawensi-Sattel. Leider hat sich der Himmel schon komplett zugezogen. Nach einem steilen Anstieg erreichen wir nach ca. 1,5 h den 4.000m rock bzw. den wegen seiner schwarz-weißen Zeichnung benannten „Zebra-Felsen". Hier machen wir eine längere Pause; leider sehen wir wegen der Wolken, in denen wir uns zeitweise befinden, nur wenig vom umliegenden Gelände und gar nichts vom Mawensi, der ganz nahe vor uns liegt. Wir entschließen uns, noch weiter hoch zu steigen auf einen „View-Point", der auf 4.200m genau oberhalb des Zebra-Felsen liegt. Dort angekommen haben wir Gott sei Dank einen Blick auf einen Teil der vor uns liegenden Aufstiegsroute des nächsten Tages.

 

Über ein Stück der Aufstiegsroute des nächsten Tages steigen wir nun ab. Bald erreichen wir rechts des Weges einen größeren „Senezienwald", in dem unsere Fotographen, Inga, Eva, Jochen und Eberhard besondere Motive im Hintergrund der vorbeiziehenden Wolken finden. Gegen 12:30h gelangen wir schließlich bei jetzt einsetzendem Regen zurück zu den Horombo-Hütten.  

Nach dem Mittags-Lunch üben wir zum ersten Mal die Tansanische Nationalhymne für unsere „Abschlußfeier", nach hoffentlich erfolgreichem Aufstieg,  unten am Marangu-Gate. Yohana, der selbst ein guter Sänger ist, führt uns mit feiner Stimme durch diesen Gesangsunterricht.

 

Den Nachmittag verbringen wir bei regnerischem, kühlen Wetter, meist jeder für sich mit Lesen, Tagebuchschreiben und dem heute unvermeidlichen Packen unserer Ausrüstung für die Gipfelnacht übermorgen.

Am Abend zeigt sich, dass Heinz leider den weiteren Aufstieg zur Kibohütte morgen nicht antreten kann. Zusammen mit Eberhard, unserem Tourdoc, trifft er selbst die wohl richtige Entscheidung, seinen Körper nicht einer neuen noch höheren Belastung auszusetzen. Wir organisieren für ihn für die nächsten 2 Tage einen einigermaßen angenehmen Aufenthalt auf den Horombohütten, damit er sich dabei gut erholen kann   .

 

18.02.2011

Auf unserer vorletzten Etappe geht es heute zur 1.000Hm höher gelegenen Kibo-Hütte, dem Ausgangspunkt für den Gipfelsturm. Schon zeitig um 07:50h verlassen wir zu Acht die Horombohütten bei frischen 12°C, heute erstmals mit wärmerer Kleidung und dünnen Fingerhandschuhen ausgerüstet.

Nach einem heftigen Anstieg gleich zu Beginn erreichen wir eine lange nur sanft ansteigende „Gerade", die den Blick auf den Kibo freigibt. Hier erreichen wir die nächste Vegetationszone, die Hochwüste mit nur spärlichem Bewuchs von vereinzelten Flechten und Steingewächsen. Für die 1. Teilstrecke bis zu einem, „ausgebauten" Rastplatz mit alubeschlagenen Tischen und Sitzbänken sowie 2 Toilettenhäuschen benötigen wir 1,5 Stunden. Das hier angezeigte „last water" ist leider wegen hohem Sodiumgehalt nicht trinkbar. Das bedeutet, dass die Träger das Wasser für die Kibohütte in der Nähe der 1.000m tiefer gelegenen Horombohütten holen und hochschleppen müssen.

Nach kurzer Rast geht es nochmals 1,5 Stunden weiter bis zu einem „Naturrastplatz" auf einigen vulkanischen Basaltfelsen, die Sitzgelegenheit und etwas Windschutz und die Gesellschaft von 2 anderen Gruppen bieten.

Immer wieder geht unser Blick hinauf zum Kibo-Gipfel des Kilimandscharo. Unsere Aufstiegsroute der kommenden Nacht zum Gilman's-Point ist infolge des Schneefalls von vor einigen Tagen nur sehr ungenau zu erkennen. Lediglich ein breiteres, weißes Band verrät zumindest grob den Bereich, der zum Gilman's Point hinaufführt.

Auf unserem weiteren Weg nach oben verschlechtert sich das Wetter leider immer mehr, keine Sicht mehr, Wolken liegen auf unserer Route und schließlich fängt es leicht an zu schneien. Anstatt einer weiteren Pause an einem wieder „ausgebauten" Rastplatz, den wir nach 1,5 Stunden passieren, treiben uns Nässe und Kälte verbissen weiter nach oben. Nach insgesamt gut 51/2 Stunden erreichen wir gegen 13:30h schließlich ziemlich erschöpft die KIbohütte auf 4.700m.

 

 

Sofort erkennen wir, dass sich hier oben eine große Zahl von „Gipfelwilligen" eingefunden hat. Überall Zelte und im 2. Steinhaus, das früher die Träger beherbegte, schon jetzt ein überfüllter „Schlafsaal" mit Gipfelaspiranten, die in der kommenden Nacht versuchen wollen, das Dach Afrika's zu erreichen.

 

Von einem Ranger wird unserer Gruppe das erwähnte 2. Steinhaus als Quartier zugeteilt. Wir sind dort insgesamt 20 Leute, neben uns 8 noch 3 Finninen, eine deutsche Gruppe aus Thüringen sowie eine einzeln aufsteigende 18-jährige Hongkong Chinesin, die uns schon länger auf dem Weg nach oben begleitet und die uns als „Einzelkämpferin" mächtig imponiert. Wegen des Platzmangels bekommen die 3 Finninen nur 2 Matratzen zugeteilt, die sie sich zu Dritt teilen müssen.

 

Trotz der unbeschreiblichen Enge in dem für 20 Personen plus Ausrüstung viel zu kleinen Raum, gelingt es jedem von uns, auf seinen etwa 2 qm sowohl den Schlafsack auszubreiten als vor allen Dingen auch die Gipfelausrüstung „geordnet" bereitzulegen bzw. schon einmal die Unterkleidung anzuziehen, die gleichzeitig auch als „Nachtwäsche" für die wenigen Stunden „Nachtruhe" dient. Auch die Gipfelrucksäcke werden schon gepackt, um damit später keine Zeit zu verlieren. Vor Aufbruch zum Gipfel brauchen sie dann nur noch mit gefüllten Thermoskannen und dem einen oder anderen Ausrüstungsteil bestückt zu werden.

Nach einem frühen „Dinner" ist um 18:00h Bettruhe und jeder versucht, bis zur Weckzeit um 22:00h so gut es geht etwas zu schlafen.

Gott sei Dank sind alle der Höhe von 4.700m entsprechend einigermaßen fit und wohlauf und alle höchst angespannt, wie der Verlauf der kommenden Nacht wohl werden wird.

 

19.02.2011

Gegen 22:00h erfolgt der Weckruf, der eigentlich nicht notwendig ist, da wir ohnehin schon ziemlich wach sind. Die wichtigste Frage gilt zunächst dem Wetter. Völlig anders als noch beim Einschlafen herrscht draußen bestes „Gipfelwetter": nicht sehr kalt, etwa 3°C plus, windstill und das Beste heller Mondschein im Licht des Vollmonds, der vom klaren, hier oben nahezu staubfreien Himmel „scheint". Hocherfreut, aber noch etwas verschlafen und mit größtem Respekt vor den kommenden Stunden brechen wir nach einem Mini-Frühstück gegen 23:00h auf. Wir sind zu 14, neben uns 8 Deutschen, Yohana als unsere einheimischen guide sowie 5 assistant guides, davon einer wie immer für den Arztkoffer und die andern „z.b.V.".

 

 

 

Die Route steigt zunächst moderat an, was für Körper und Geist gut ist, denn so können wir uns ein wenig besser an die jetzt immer dünner werdende Luft gewöhnen. Der Untergrund ist felsig und gut zu gehen. Der Vollmond scheint so hell, dass nicht alle ihre Stirnlampen anschalten müssen. Unser Tempo ist sehr langsam, da wir wissen, dass noch enorme Anstrengungen erforderlich sein werden, um vor allem den 2. Abschnitt bis zum Gipfel zu bewältigen. Bald erreichen wir die ersten Zick-Zacks, die diesmal über eine leicht gefrorene Schnee- und Vulkansandauflage führen. Dieser Untergrund ist etwas leichter zu besteigen, als das normalerweise hier anzutreffende lose, feine Vulkangeröll, da der frostige Boden mehr Halt gibt,. So geht es eine lange Strecke. Unsere anfänglichen Unterhaltungen und Kommentare sind inzwischen verstummt. Nur unsere tansanischen Begleiter reden noch miteinander in Suaheli, was uns ein wenig stört und ich bitte sie um etwas mehr Ruhe. Neben der Anstrengung auf dieser Höhe kommt man hier fast ins Meditieren - jeder hängt schweigend seinen Gedanken nach, manchmal mit Konzentration auf den Aufstieg, dann wieder zweifelnd, ob die Kräfte halten und manchmal ganz woanders - entführt in eine ferne Gedankenwelt, weit weg von dieser Gipfelnacht am Kili.

 Aus unseren Gedanken entführt von den Anzeichen einer ersten Erschöpfung, erreichen wir planmäßig nach 1 ½ Stunden unseren ersten Rastplatz auf 4.950m. Hier sehen wir, dass wir gut im Rennen zum Gipfel liegen. Nur eine Gruppe ist vor uns und mehrere folgen weiter unter uns, was wir an den Lichtpunkten der jeweiligen Stirnlampen gut erkennen können. Wir nehmen unsere 1.Ration heißen Tee sowie einen kleinen Snack zu uns. Nach ca. 15 Minuten geht es weiter. Immer in endlosen Zick-Zacks Meter um Meter aufwärts. Alle sind noch in Relation zu den bisherigen Anstrengungen in einigermaßen guter Kondition und jeder hofft, dass das weiter so bleibt.

Bald passieren wir den Wilhelmspoint auf exakt 5.000m - ein Hinweis auf den früheren deutschen Kaiser Wilhelm, nach dem 1889 der ganze Kilimandscharo in der Kolonialzeit benannt wurde? Für uns ist jetzt nur die Information wichtig, dass wir uns nun schon oberhalb von 5.000 bewegen - für alle außer für Eberhard und mich schon jetzt ein neuer persönlicher Rekord. Niemand spricht mehr, alle sind mit sich selbst beschäftigt und jeder denkt respektvoll an das, was noch im Laufe der Nacht passieren wird.

Der Weg bis zu unserem 2. Stopp, der Hans-Meier-Cave - benannt nach dem Erstbesteiger des Kilimandscharos - ist noch verdammt lang. Je höher wir kommen, umso deutlicher sagt die Körpersprache einiger von uns, dass die „Knautschzone", also der Bereich, in dem neben der Körperkraft auch die bewusste mentale Unterstützung einsetzten muss, erreicht ist. Nach knapp 3 Stunden seit Verlassen der Kibohütte auf 4.700m erreichen wir die Hans-Meier-Höhle auf inzwischen 5.250m. Die Höhle ist etwa 10m breit und ziemlich niedrig. Der Eingang ist teilweise zugeschneit, so dass nicht alle von uns darin Platz finden. Einige zwängen sich geduckt in die Höhle und fallen schon ziemlich erschöpft auf Felsbrocken, die als Sitzplätze dienen. Andere suchen sich vor der Höhle im Schnee einen Rastplatz. Wieder heißt es, Trinkflaschen herausnehmen, was auch schon eine kleine Anstrengung ist und trinken, trinken, trinken. Unser Doktor nutzt die Pause, um bei allen mal wieder Sauerstoffsättigung und Pulswerte zu messen.

Nach der wiederum ¼ stündigen Pause beginnen wir nun die 2.Hälfte des Aufstieges zum Gipfel. Jetzt kommt der schwierigste Abschnitt: Über wieder endlose Zick-Zacks im Gott sei Dank einigermaßen festgefrorenen Untergrund geht es unablässig aufwärts. Eine gewisse Gruppendisziplin verlangt nun von jedem Einzelnen, seine gesamte mentale und physische Kraftreserve zu mobilisieren. Nur, wenn es wirklich nicht mehr geht, gibt es schon mal den einen oder anderen „Steh-Stopp", auch wenn die bessere Regel lautet, langsam, sehr langsam aber kontinuierlich weiterzugehen.

Kurz vor Erreichen der oberen Felsregion auf etwa 5.400m stoppen wir erneut. Bevor es jetzt in die letzte entscheidende Passage zum Gilman's Point geht, legen wir noch eine kurze Pause am freien Gipfelhang ein. Nochmals versorgen wir uns mit heißem Tee und einem kleinen Snack. Das Aufstehen danach und das erneute Weitersteigen verbraucht schon fast alle Energie, die wir gerade in der Pause gesammelt haben.

 

 

Alle wissen jetzt: die nächste Stunde wird darüber entscheiden, wer es bis oben schafft und eventuell wer nicht. Alle geben nun die letzten Reserven. Der Gipfel ist quasi schon zu „riechen", im Blick nach oben hebt er sich deutlich vom immer noch mondschein-hellen Himmel ganz kurz über uns ab. Jetzt unterhalb des Gilman's-Gipfels, bedarf es des Einsatzes unserer Hände, um die hier liegenden großen Basaltbrocken, die zudem wegen der Schneeauflage sehr rutschig und daher nicht ganz ungefährlich sind, zu erklimmen. Alle bekommen nochmals einen Adrenalinschub, da jedem jetzt klar ist, dass wir ganz kurz vor Erreichen des großen Zieles sind.

 

Ganz allmählich stellt sich auf den letzten Metern jenes nur unzulänglich zu beschreibende Glücksgefühl ein, welches ganz langsam die starke Erschöpfung in uns verdrängt und sich unaufhaltsam im Innern eines jeden von uns bei Betreten der kleinen Gipfelplattform breit macht, als wir die windschiefe und wackelige Holztafel mit der grüngelben Aufschrift „Gilman's Point, 5.681m" erreichen. Erschöpft aber überaus glücklich und hier und da den Tränen nahe fallen wir uns in die Arme und feiern uns selbst, unsere afrikanischen Begleiter, denken zurück an alle die Mühen, Trainingseinheiten, Zweifel und Hoffnungen, die uns mehrere Monate lang bis zu diesem Moment begleitet haben. Unsere Gedanken schließen unseren Kameraden Heinz ein, der 2.000m tiefer inzwischen schon wieder von der Höhenkrankheit genesen ist.

 

 

 

Es ist jetzt 05:30h und der Himmel im Osten färbt sich rot. Allmählich mischen sich Erschöpfung und Glücksgefühle, der Blick zurück und hinunter auf unsere Aufstiegsroute und der Blick nach vorne und hinein in den Krater des Kilimandscharo, an dessen Rand wir jetzt stehen, zu einer gewisse Ergriffenheit über das Geleistete und die Besonderheit dieses einzigartigen Momentes. Hier hoch oben auf dem Kilimandscharo realisieren wir jetzt allmählich, was wir geleistet haben, sehen inzwischen dem Mawnsi auf sein zerklüftetes Haupt und genießen leicht frierend - es ist inzwischen 7°C unter Null - diese grandiose Szene der aufgehenden Sonne, die den ganzen östlichen Horizont zunächst rot, dann immer stärker gelb färbt.

Nach einer guten Viertelstunde Erschöpfung, Ausruhen, Genuss, Freude, Respekt, Erholung, Glückwünschen, Gipfelfotos und Trinken, Trinken.... entschließen sich unsere beiden „70er-Helden" , der eine ist 74, der andere 70, mit zwei unserer assistant guides, vorsichtig und pole-pole zum Abstieg zur Kibohütte.

Wir anderen 6 machen uns zusammen mit Yohana und dem Arztkofferträger auf zum noch 1 3/4 weiter und etwa 200m höher und „auf der anderen Seite" des Gipfelplateau's gelegenen „2.Gipfel" zum Uhuru Peak.

Gegen 07:30h erreichen wir den absolut höchsten Punkt Afrikas auf 5.895m. Hier ist relativ viel los: eine Reihe von Neuankömmlingen von den 6 Routen, die allesamt auf den Gipfel des Kilimandscharo führen, wollen unbedingt ein Gipfelfoto bei inzwischen windigen und minus 10°C kalten Temperaturen am Uhuru Gipfel schießen.

 

 

Wir nutzen die Zeit hier oben, um die umliegenden hochaufragenden Gletscher näher zu begutachten. Letzte wissenschaftliche Untersuchungen besagen, dass die Eiskappe des Kili bis ca. 2025 verschwunden sein soll - dies aber nicht als Resultat der Erderwärmung sondern durch Sublimation des Eises, welches nicht schmilzt sondern direkt als Wasserdampf in die Atmosphäre entweicht.

 

 

 

Hier werden wir auch Zeuge eines besonderen Vorganges: Wir beobachten eine jüngere Frau, die auf einem angrenzenden Schneefeld aus einem Gefäß Asche verstreut, die sich im Wind auf eine größere Fläche verteilt und den Schnee sofort grau färbt. Ist dies die Asche eines engeren Verwandten? Aus Pietätsgründen stellen wir keine Fragen.

 

 

Der Rückweg vom Uhuru Peak zur Kibohütte dauert etwa 31/2 Stunden. Um ca. 11:00 Uhr, also 12 Stunden nach dem Aufbruch in der vergangenen Nacht sind wir wieder „unten" auf 4.700m und begeben uns erschöpft aber glücklich für 2 Stunden in die Schlafsäcke.

 

Gegen 14:00h brechen wir alle 8 auf, um nun die 1.000Hm zu den Horombohütten abzusteigen. Dort werden wir freudig vom genesenen Heinz begrüßt. Zum Abendessen finden wir eine beinahe festlich gedeckte „Tafel" in der Kantinenhütte vor, die unsere Crew mit 2 Flaschen südafrikanischem Rotwein „dekoriert" hat und die wir gerne mit unserem afrikanischen Führer zum Abendessen genießen.

 

20.02.2011

Wir beginnen den Tag bereits mit einem frühen Frühstück kurz nach 06:00h. In guter Stimmung, den gestrigen Gipfelerfolg noch sehr präsent, treten wir um 07:00h unseren Abstieg bis zum Marangu-Gate an. Auf dem Weg nach unten werfen wir immer wieder einen Blick zurück zum Kibo, der sich am Horizont immer weiter entfernt und auch der Mawensi verabschiedet sich allmählich von uns. Schon nach gut 2 Stunden erreichen wir die Mandara-Hütten. Kurz davor sehen wir noch zwei der seltenen Hirak-Trees, Baumschläfer, die Eberhard und ich auch schon bei der letzten Kili-Besteigung im August 2010 an der gleichen Stelle beobachten konnten.   

Nach kurzer Trinkpause in der wärmenden Sonne vor der großen Eingangshütte geht's weiter abwärts. Immer wieder begegnen uns Gruppen, die noch das große Ziel der Kili-Besteigung vor sich haben.

Nach insgesamt 51/2 Stunden Abstieg erreichen wir gegen 12:30 h das Ein-bzw. Ausgangsgate.

 Nun folgt das letzte Highlight der Kilimandscharobesteigung: die Verabschiedungszeremonie von unsere Crew.

 

 

Zunächst bedanken wir uns bei der noch verbliebenen Abordnung der insgesamt 25 Crewmitgliedern: guides, assistant guides, Köchen, Kellnern und Trägern für die sichere Führung und den guten Service während der gesamten Besteigung. Als Gegenleistung singen sie für uns den berühmten „Kilimandscharo-Song" und „Jambo" und zum Schluss singen wir gemeinsam mit ihnen die tansanische Nationalhymne, die wir Deutsche in den Tagen vorher textlich, inhaltlich und melodiemäßig während unserer Pausen zumindest in Ansätzen gelernt haben. Zum Abschluss werden wir dann noch von Yohana und den assistant guides zu einem afrikanischen Mittagessen mit gekochten Bananen, Beef und Avocado-Früchten eingeladen, was diese Kilimandscharo-Besteigung in einer freundschaftlichen Stimmung mit unseren afrikanischen Begleitern beendet.

 

Resümee

  • ØEine Kilimandscharo-Besteigung löst eine lange, für die meisten wahrscheinlich lebenslange Erinnerung aus. Neben den Erlebnissen während Auf- und Abstieg in den verschiedenen Vegetationszonen sind die Eindrücke auch deshalb so nachhaltig, weil jeder, der den Gipfel erreicht, weit über seine bisherigen körperlichen und mentalen Grenzen gehen muss und dabei lernt, dass seine Leistungsfähigkeit viel größer ist, als er vorher je geglaubt hat.
  • Sowohl meine Höhenkrankheit am Mt.Meru wie auch die von Heinz, der ein überdurchschnittlich trainierter 60-Jähriger ist, zeigen, dass die Höhenkrankheit jeden treffen kann und es keine 100%tige Vorsorge dagegen gibt.
  • Umgekehrt zeigen die Beispiele des 74-jährigen Wolfram und des 70-jährigen Jochen, welche körperlichen und mentalen Leistungen auch jenseits der 70 möglich sind.
  • Die permanente Anwesenheit eines höhenerfahrenen Arztes als Teammitglied ist eine äußerst wichtige reale und psychologische Unterstützung für alle Teilnehmer
  • Das Durchwandern der 5 Vegetationszonen am Kilimandscharo, der laufende Kontakt mit der afrikanischen Crew, die Begegnung mit den Kindern der HS-Schule in Arusha, die Eindrücke aus den Lodgeaufenthalten und das Gesehene und Gehörte während der Busfahrten sind Bausteine und Informationen einer unvergesslichen Mischung afrikanischen Lebens auf und am Fuße des Kilimandscharos.

 

 

Arusha/Würselen, den 21.02.2011

Gez. Paul Thelen